Neulich wurde ich gefragt, warum ich nicht regelmäßig ein paar Weine vorstellen und beschreiben kann. Nö, denn dabei gibt es gleich mehrere Probleme:
Erstens und wichtigstens: Ich halte mich nicht im Ansatz für ausreichend qualifiziert, um über Weine zu „schreiben“ und erst recht nicht, um darüber zu urteilen.
Zweitens: Klar, kann ich Wein trinken und mich dabei mit anderen Menschen, die denselben Wein trinken darüber unterhalten. In dieser Situation haben wir denselben! Wein im gleichen! Glas, mit der gleichen! Temperatur etc. und wir sind in derselben! sonstigen Situation (an derselben Bar, beim gleichen Essen etc.), dabei kann Wein ein schönes Gesprächsthema sein. Ist das alles nicht gegeben, werden wir unterschiedliche Genusserlebnisse haben und mein nicht replizierbares, individuellen Genusserlebnis interessiert eh keinen.
„Über Musik zu schreiben ist wie über Architektur zu tanzen.“ Frank Zappa
Drittens, frage ich mich, nein, Euch, ob Weinbeschreibungen von Laien wie mir für Laien überhaupt hilfreich sind. Zitat Frank Zappa*: „Über Musik zu schreiben ist wie über Architektur zu tanzen“. Was für die Musik gilt, gilt auch für Wein. Weine in subjektive Listen von Frucht-, Gemüse- und Mineralaromen zu unterteilen, die sich im Laufe der Minuten im Glas, geschweige denn im Laufe der Jahre im Keller, verändern, erscheint mir ebenso aufschlussreich wie die Vergabe von „100 Punkten“. Ähnlich sinnvoll, als würde ein Laie ein Gemälde von Gerhard Richter anhand der verschiedenen Farben auf der Leinwand beschreiben oder ein Werk von oben genanntem Frank Zappa anhand der einzelnen Synthesizer, Gitarren und Effektgeräte, die im Studio verwendet werden. Hilft das?
Nun soll dieser kleine Artikel aber nicht so destruktiv enden, daher hier ein paar Fragen, die mir bei der Beschreibung von Wein oft begegnen und mir meist weiterhelfen:
„Schmeckt dir der Wein?“
„Ja, schmeckt mir/Nein, schmeckt mir nicht“ ist eine gute Beschreibung und immer individuell richtig! Die erste Nase, du riechst Aprikose. Der erste Schluck, ein augenöffnender Moment, super. Du denkst Süße, Bitterkeit, Säure, gut!
„Berührt dich der Wein?“
Ob junger Arinto oder 100 Jahre alter Port, guter Wein hat Energie. Beispiel: „Preta“ aus dem Alentejo hat reichlich davon. Und diese Energie spürst Du, nicht nur im Mund, sondern in allen Körperteilen, die dieser Wein berührt und dann gibt er Dir eine Gänsehaut: Vitalität, Ausgelassenheit, Leben.
„Spürst Du die Frische?“
Eng damit verbunden ist die „Frische“. Säure, Salz, Eleganz, Spannung sollten spürbar sein (sonst ist der Wein schwerfällig oder sogar tot). Auch das empfindet jeder anders, achtet doch mal darauf auf welchen Böden Eure Lieblingsweine wachsen, ich empfinde Schiefer immer als besonders frisch.
„Wie benimmt sich der Wein im Mund?“
Abgesehen von Aroma und Geschmack eines Weins, die sich beide im Laufe der Zeit verändern, kann er durch seine Textur im Mund definiert werden. Auch das ist schwer in Worte zu fassen. Wenn ich Wein mit „erfahrenen Genießern“ trinke, höre ich Wörter wie als „direkt“, „fett“, „hart“, „samtig“, „cremig“ oder „Muskeln“ ;))
„Immer wieder neu?“
Hast Du einen Lieblingsfilm, den Du hin und wieder schaust und jedes Mal etwas Neues entdeckst? (Blues Brothers, YEAH). Beim Ramisco geht es mir so. Einmal im Jahr mache ich eine Flasche auf und entdecke jedes Mal einen anderen Wein. Andere Nuancen, Details, Dimensionen.
„Originell oder langweilig?“
Großartiger Wein ist unberechenbar und brillant. Ideal ist es, wenn er die Frage aufwirft, die ich hier schon neulich hatte: Wer und wie kann man so etwas nur aus ein paar Kisten Weintrauben herstellen? Überraschend in Nase und Mund; ähnlich wie der grandiose Schock eines außergewöhnlichen Parfums, die unerwartete, geniale Wendung in einem Film oder ein Wundertor. Der „Einhorn-Wein“.
„Und ergibt das FÜR DICH alles eine „runde“ Mischung?“
„Der Wein in Gänze“ sollte, neben all dem oben gesagten „harmonisch“ sein. Perfekt abgestimmt und gut abgeschmeckt mit der entsprechenden Leichtigkeit. Wie ein gutes Lied – „Boddy Brown“ von Zappa vielleicht?
*Noch ein Zappa Zitat: „Der größte Teil des Rockjournalismus besteht darin, dass Leute, die nicht schreiben können, Leute interviewen, die nicht sprechen können, für Leute, die nicht lesen können.“